In der internationalen Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation(WHO) ist die Rechenstörung oder Dyskalkulie unter der Ziffer F81.2 folgendermaßen definiert:
"Diese Störung besteht in einer umschriebenen Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft von allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonoetrie, Geometrie ect."
Das bedeutet, betroffen sind die Kinder und Jugendlichen, die starke Schwierigkeiten beim Erwerb der Grundrechenarten aufweisen und dies durch vermehrtes Üben und Wiederholen nicht aufzulösen ist.
Da die einzelnen Elemente der Mathematik stark aufeinander aufbauen, kommt ein wackliger "Zahlenturm" schnell ins Schwanken und häufig wird dieses Hauptfach unbeliebt und ist dann negativ behaftet.
Häufigkeit:
Zwischen 4% und 6%, Mädchen sind durchschnittlich häufiger betroffen als Jungen.
Zu allererst wird ein Kind in der Schule, also der Lehrerin/dem Lehrer und den Eltern, bei der Durchführung der Hausaufgaben auffallen, dass der Lernzuwachs sehr langsam fortschreitet und Verknüpfungen nicht erfolgen ( Siehst du das denn nicht? Das ist doch genau das Selbe nur umgedreht? z.B. bei Umkehraufgaben).
Die Hausaufgaben brauchen enorm viel Kraft, auf Eltern- sowie auf Kinderseite und das Kind neigt immer häufiger zu vermeidenden Strategien.
Dies ist nun ein sensibler Zeitpunkt! "Verwächst" sich diese Schwierigkeit mit den Zahlen, oder verhärtet sich ein Gefühl von Ohnmacht und Misserfolgen beim Kind.
Zusatzunterricht in Kleingruppen können bei einer leichten Rechenschwäche durchaus helfen.
Wichtig ist nun, eine möglichst objektive Einschätzung der Rechenleistung.
Das Schulsystem hat eine interne Mögichkeiten, über geschulte Lehrkräfte Testungen durchzuführen und somit eine Leistungserhebung zu erstellen.
Eine Diagnose, die eine rechtliche Grundlage für eine Förderung über § 35a oder für einen Nachteilsausgleich im Sinne der Gleichstellung bei Schülern mit besonderem Förderbedarf erhoben wird, ist nur durch ein ärztliches Gutachten eines Kinder-Jugendpsychiatrischen Arztes anerkannt.
Es wird ein vielschichtiges Diagnoseverfahren durchgeführt, das nicht nur die Rechenleistung und die allgemeine Intelligenz abfragt, sondern auch die Wahrnehmung, Konzentration, die psychisch und soziale Befindlichkeit des Kindes erfasst.
Ein detaillierter Befund bildet dann auch eine erste Grundlage in der Dyskalkulieförderung.
Der Nachteilsausgleich...
...ist noch ein großes Fragezeichen im Umgang mit Dyskalkulie an der Schule.
Da Bildung Ländersache ist, schwankt der Umgang von Bundesland zu Bundesland.
In Baden-Würthemberg wird in der Schule über die Schulkonferenz entschieden, in welcher Form ein Nachteilsausgleich gewährt wird.
An manchen Schulen werden Hilfsmittel (Regelkärtchen, Strategiekärtchen, Taschenrechner) auch bei Klassenarbeiten zugelasssen, sowie Zeitverlängerung gewährt. Der Nachteilsausgleich wird auf der Klassenarbeit, im Zeugnis dokumentiert.
In einer Prüfungssituation wird jedoch kein Hilfsmittel zugelassen, lediglich eine Zeitverlängerung ist bisher möglich.
Eine Dyslalkulie ist eine komplexe Störung, der meistens verschiedene Ursachen zugrunde liegen (multikausal).
Jede Dykalkulie ist unterschiedlich in Ausprägung, Ursache und Verlauf.
Ungünstige Faktoren:
mangelndes Zahlenverständnis in der frühkindlichen Entwicklung (viel, mittel, wenig)
kein räumliches Sehvermögen
wenig Vorläuferfähigkeiten (Rhythmus, Vergleichen, Reihen bilden, ordnen, Erkennen von Würfelbildern, Kategorisieren)
fehlerhaftes oder unzureichendes Wissen
Lesebeeinträchtigung (Sachaufgaben)
wenig freie Speicherfunktionen (Langzeitgedächtnis speichert wenig)
Aufmerksamkeitsbeeinträchtigung (nimmt alles in der Umgebung auf, oder ist in einer eigener Welt)
Die aktuelle Hirnforschung kann durch bildgebende Verfahren inzwischen erkennen, welche Hirnareale an mathematischen Denkprozessen beteiligt werden. Es wurde nachgewiesen, dass Kinder mit Rechenschwäche eine deutlich verminderte Aktivität in den entsprechenden Arealen zeigten.
Da unser Gehirn jedoch flexibel ist, sind viele Möglichkeiten und Wege offen, diese Areale zumindest teilweise zu aktivieren oder über Umwege zu erreichen.
Ungünstige Faktoren, jedoch keine Ursachen sind:
mangelnde Übung
schlechter Unterricht
schlechter Einfluss des Elternhauses
Nebenwirkungen:
psychosomatische Beschwerden Kopf /Bauchweh, Angst
vermehrte Unruhe oder innerer Rückzug
soziale Auffälligkeiten
Rückzug in Medienkonsum, wenig Freunde/Außenkontakte